Was tut Karen Zimmermann?

Johanna Warchol – Vortragsreihe des Masterstudios »Experimentelles Design« Semesterarbeit über die Arbeit der Künstlerin Karen Zimmermann. Veröffentlicht auf paradise—park.

betreut von Anja Vormann

Textauszug

» Gott es ist so  « [lachen] »  ich hab das Gefühl ich müsste jetzt hier irgendwie ne -– Aufführung starten  mit den ganzen Kameras … sooo. [ … ]« Einige Sekunden konzentrierte Stille, die erahnen lassen, dass etwas gleich beginnt – die fröhlich-aufgeregte Stimmlage wechselt in eine Art tieferen Vorlesertonus:

Ich werde wahnsinnig. Was bin ich -–- ?

Diese Frage markiert, wie wir später merken, nicht bloß den einschneidenden Beginn von Karen Zimmermanns Vortrag, sondern bildet den Grundstein ihrer Arbeit, begonnen mit ihrer Bachelorarbeit. Darin macht sie sich selbst zur Protagonistin einer Selbstbefragung, die scheinbar um die eigene Identität kreist. … Was bin ich — ? — Wieso eigentlich »Was«? Fragt »Was« nicht eigentlich nach einer Sache, einem Attribut, einer Nummer, einer unpersönlichen Zuschreibung?

Ich wollte mal Schauspielerin sein, studiere jetzt Kommunikationsdesign, überlege, dass das ja nicht so frei ist und möchte vielleicht lieber Kunst studieren.

»Wer bin ich?« lässt sich also aus »Was bin ich?« ableiten, so zumindest scheint es zunächst, wenn wir Karens Aussagen näher betrachten. Höchst persönlich und auf gleichzeitig sehr nüchterne Art problematisiert sie in ihrer Bachelorarbeit gesellschaftlich verankerte Rollenzuschreibungen – Vorstellungen von dem, was man zu sein hat, manifestiert und kategorisiert in Bachelordegrees und Noten, im besten Falle in Stein gemeißelt durch klar getaktete, linear vorgegebene Lebensverläufe. Doch bei Karen scheint sich das »Wer bin ich?« dem »Was?« nicht so ganz unterordnen zu wollen – von der Schauspielerin zur Kommunikationsdesignerin bis hin zur Künstlerin ist sie bereit, so viele unterschiedliche Rollen anzunehmen, bis sie die für sie passende gefunden hat. Macht sie das nicht letztendlich doch zur Schauspielerin? Als Bewerberin an einer Schauspielschule (Max Reinhard Seminar in Wien) ist sie in der letzten Runde ausgeschieden, genauso bei der ersten Instanz ihrer Bewerbung für das grundständige Studium an der Kölner Hochschule für Medien (KHM), nur um letztendlich im postgraduierten Studiengang aufgenommen zu werden –-— »Nicht angenommen werden war wichtig«, sagt sie, denn dadurch hätte sie lernen können, dass es nicht darum geht, das zu machen, was alle sehen wollen; Person und Prozess dürften nicht abgekapselt voneinander stehen, sondern müssten als Ganzes erkennbar sein, erklärt sie uns. Darum erscheint Karens Werdegang trotz der Kurswechsel als ein Akt der Selbstfindung und -befreiung, in dem jeder Schritt den nächsten logisch vorherbestimmt und kein Schritt ohne den vorherigen denkbar gewesen wäre.

Aber erstmal möchte ich meinen Bachelor machen. Der Bachelor. Was ist denn der Bachelor? Bachelor of Arts. —— hm — ist n Hochschulabschluss, hab ich irgendwas gelernt? —- Eigentlich nur, mir noch mehr Fragen zu stellen, noch unsicherer zu sein als vorher. Also wie soll ich an den Bachelor rangehen wenn ich gar nicht weiß, was ich machen will oder wo ich hin will, —- hmm ———————- Bachelor. ————–

In der Arbeit werden Monologe wie diese voller Fragen und Unsicherheiten abgelöst von Videodialogen mit Kommilitoninnen und Kommilitonen, die Karens psychologische Befindlichkeiten spiegeln und dabei auf sie als Protagonistin zurückprojizieren. Beim Lesen (oder Zuhören) wird mehr und mehr deutlich, dass sich bei den meisten Studierenden die Suche nach dem Selbst während des Bachelors manifestiert und in der Bachelorarbeit ihren Ausgang findet – oder eben finden muss. Und dieses müssen macht wahnsinnig, so jedenfalls das ein- und ausleitende Statement des ersten Teils. Gesellschaftliche und systemische Verhältnisse und Zwänge treten in ihren Effekten auf die Psyche der Dialogpartnerinnen und -partner so klar zutage, dass sie in der Arbeit gar nicht konkret versprachlicht werden müssen. […]